Energie-Autarke Sensorik (nicht nur) fürs Retrofit – Möglichkeiten des Energy-Harvestings
Autor: Dr. Christoph Budelmann
Deutschland hat sich als wichtiger Exporteur von Maschinen und Anlagen einen Namen gemacht. In der Regel erwarten Kunden (zurecht), dass die entsprechenden Maschinen durchlaufen und nicht ausfallen, denn Unterbrechungen im Betriebsablauf sind teuer und nervenaufreibend. Seit einiger Zeit hat daher Predictive Maintenance an Bedeutung gewonnen. Ziel ist es, einen potentiellen Ausfall eines Verschleißteils möglichst genau vorherzusagen, bevor es tatsächlich defekt ist. So können Reparatur- und Wartungszeiten besser geplant und Folgekosten minimiert werden. Hierfür müssen Maschinen mit zahlreichen unterschiedlichen Sensoren ausgestattet werden. Viele ältere Anlagen sind dafür aber nicht ausgerichtet – wer hat schon vor zwei Jahrzehnten (oder noch früher) daran gedacht, dass eine Zementförderanlage einmal mit Sensoren zur Zustandsüberwachung ausgestattet würde? Hier kommen dann Experten für Retrofit ins Spiel, die solche Lösungen unter Abwägung von Kosten- und Aufwandsaspekten entwickeln müssen. Denn das Ziehen von Kabeln und eine entsprechende Installation der Stromversorgung kann den eigentlichen Preis der Sensorik schnell übersteigen. Alternativ können Daten auch per Funk übertragen werden. Aber dann bleibt die Frage: Woher kommt die Energie? Das regelmäßige Austauschen von Batterien ist wartungsintensiv und widerspricht außerdem dem Grundgedanken, dass man sich im Prinzip gar nicht um die Maschine kümmern muss, sondern sie sich von selbst meldet, wenn sie eine Wartung oder ein Ersatzteil benötigt.
Deshalb ist Energy-Harvesting in den vergangenen Jahren immer populärer geworden. Die Idee dahinter ist, Energie aus der Umgebung zu gewinnen. Am Anfang der Entwicklung stand häufig der Gedanke nach einer möglichst nachhaltigen Energiegewinnung. Die Lösungen haben aber alle auch den Vorteil, dass Energie an der Stelle zur Verfügung steht, an der man sie gerade benötigt – ohne Batterie oder Kabel. Die wichtigsten Beispiele für Energy-Harvesting sind:
- Photovoltaik: Gewinnung elektrischer Energie aus dem Umgebungslicht. Sinnvoll insbesondere bei Außenanwendungen, da die Beleuchtungsstärke in Innenräumen signifikant abnimmt. Ein Akku dient zur Überbrückung von Dunkelphasen.
- Thermoelektrisch: Aus Temperaturunterschieden wird elektrische Energie gewonnen, beispielsweise aus der Abwärme von Maschinen. Energiemengen sind zwar in der Regel klein, aber kontinuierlich verfügbar.
- Piezoelektrisch: Piezoelektrische Kristalle erzeugen elektrische Spannungen bei Krafteinwirkungen, beispielsweise durch Druck oder Vibrationen.
In der Regel sind die so zur Verfügung stehenden Energiemengen relativ klein. Greift man aber bei der Entwicklung entsprechender Retrofit-Lösungen auf stromsparende und intelligente Sensoren zurück, so ist die Menge dafür oftmals ausreichend. Im Entwicklungsprozess ist entsprechend wichtig, die optimale Energiequelle zu finden und im Vorhinein zu berechnen, ob die Energiemenge für die Aufgabenstellung ausreicht.
Eine solche Analyse wird aktuell auch im Münsterland durchgeführt. Für einen mittelständischen Maschinenbauer entwickeln wir eine kleine Sensorbox. Damit werden Vibrationen einer Maschine gemessen und per WLAN oder Bluetooth an das Smartphone des Nutzers bzw. in eine Cloud gesendet. Durch die Auswertung der Sensorsignale können Fehler in der Anlage identifiziert und mögliche Verschleiße, zum Beispiel durch beeinträchtige Dämpfungselemente, rechtzeitig vor einem Maschinenausfall identifiziert werden. Das Energy-Harvesting erfolgt durch die Vibrationen, denn die entsprechenden Maschinen haben typischerweise eine sehr dominante Frequenz, auf der sie schwingen. Dies erhöht den Wirkungsgrad der Vibrations-Energy-Harvester enorm. Aber auch bei Anlagen mit einem breiten Frequenzspektrum ermöglicht eine Vibrationsmessung mit anschließender Fourieranalyse eine Identifizierung der optimalen Resonanzfrequenz, auf die der Energy-Harvester abgestimmt werden muss.
Dem Retrofit mittels Energy-Harvesting sind also kaum Grenzen gesetzt. Wenn langjährige Kompetenzen im Maschinenbau auf innovative Software und Elektronik trifft, können wir auch in unserer Region noch einige Potentiale heben.
Dr. Christoph Budelmann