Wartung mit neuen Augen sehen
Autor: Professor Michael Bühren
Klassische Wartungs- und Service-Leistungen stellen sich in Zeiten des Lockdowns und restriktiver Reise- und Zugangsbeschränkungen für viele Unternehmen mitunter als Herausforderung heraus. Die Wartung hat insofern „vorausschauend“ zu sein, als dass die grundsätzliche Zugänglichkeit und Erreichbarkeit von Anlagen und Maschinen durch das Wartungspersonal im Vorfeld zu klären ist. Die Verfolgung neuer Strategien im Sinne von „Predictive Maintenance“ – der „vorausschauenden Wartung“ unter Ausnutzung neuer digitaler Technologien – gerät da notgedrungen eher in den Hintergrund. Auch haben viele Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus Probleme, überhaupt Werkstattabnahmen und Erst-Inbetriebnahmen abzuwickeln, da eigene Mitarbeiter oder Kundendelegationen nicht Vor-Ort sein können. Es ist frappierend zu sehen, mit welcher Dynamik neue Technologien wie der Einsatz von online verbundenen Datenbrillen die Vor-Ort-Unterstützung von Kundenpersonal bei Inbetriebnahmen, der Fehlersuche und der Standard-Wartung revolutionieren (Beispiel KemperVision). Die Krise wirkt hier wahrlich als Beschleuniger für die Verbreitung von Ansätzen und Konzepten, die wir vielleicht vorher schon kannten, die unter neuen Randbedingungen aber bisher ungeahntes Potenzial entfalten.
Das Netzwerkprojekt Digi-up! – das durch die Landesinitiative „Digitale Wirtschaft NRW“ geförderte Netzwerk Digitale Produktion – wurde größtenteils ebenfalls unter den Corona-bedingten Einschränkungen durchgeführt. Online-Veranstaltungen ersetzten Präsenz-Workshops, doch zusammen mit unseren Projektpartnern der Wirtschaftsförderungen des Kreises Borken und der Stadt Bocholt gelang es, einen guten und umfassenden Überblick der Themen zu gewinnen, die in den Unternehmen aktuell und zukünftig „brennen“. Und hier ist Predictive Maintenance eindeutig dazu zu zählen.
Predictive Maintenance als Antwort auf erhöhte Anforderungen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, Anlagenverfügbarkeit und Ressourceneffizienz einzusetzen, dahin zielte bereits der durch die Westfälische Hochschule im Auftrag der Wirtschaftsförderung des Kreises Borken erarbeitete Leitfaden „Einführung von Predictive Maintenance in klein- und mittelständischen Unternehmen (KMU)“. Mit diesem Leitfaden wird diesen Unternehmen ein Werkzeug an die Hand gegeben, Potenziale und Umsetzungsmöglichkeiten in diesem Bereich zu erfassen und nachfolgend anzugehen. Die Westfälische Hochschule – und hier insbesondere das Mechatronik Institut Bocholt (MIB) – bietet hier Unterstützung an. Das MIB ist kein Software-Unternehmen und die Entwicklung eines weiteren IT-basierten Maintenance Management Systems ist daher nicht das primäre Ziel. Aber als maschinenbauliche Experten, welche Maschinen sowie die mit ihnen verbundenen Entwicklungs- und Fertigungsprozesse in ihrer Gesamtheit verstehen, sind wir nah dran an den Entwicklern und Anwendern in den KMU. Wir arbeiten am sog. Digitalen Zwilling von Maschinen und Anlagen, den wir mit den dahinter liegenden Simulationsmodellen und Daten aus Konstruktion, Simulation und Betrieb als essentielle Basis von PDM-Ansätzen sehen. Augmented Reality (AR) – die Einblendung und Visualisierung von maschinenbezogenen Informationen in das Sichtfeld des Menschen mittels Handheld-Geräten oder moderner Datenbrillen – stellt sich hierbei als ideales menschen-zentriertes Interface zum Digitalen Zwilling mit völlig neuen Möglichkeiten dar. Und dieser Ansatz geht über die Verwendung einer Datenbrille zur Online-Übermittlung von Vor-Ort-Aufnahmen in das entfernt liegende Firmenbüro oder Home Office nochmals hinaus.
Website: https://www.w-hs.de/service/informationen-zur-person/person/buehren/
Über den Autor:
Professor Dr. Michael Bühren studierte an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter arbeitete Herr Bühren am Institut für Maschinenelemente und Maschinengestaltung der RWTH Aachen und promovierte zum Dr.-Ing. an der Fakultät für Maschinenwesen der RWTH Aachen auf dem Gebiet der Simulation des dynamischen Verhaltens von Antrieben mit Asynchronmaschinen.
14 Jahre lang war Michael Bühren für die SMS Group (internationaler Anlagenbau im Bereich Hütten- und Walzwerktechnik sowie Bandveredlung) tätig. Michael Bühren arbeitete vier Jahre als Entwicklungsingenieur im Geschäftsbereich Elektrik und Automation, nachfolgend war Herr Bühren als technischer Projektleiter im Bereich EA verantwortlich für Großprojekte in Russland und China. An der Westfälischen Hochschule doziert Professor Bühren Regelungstechnik, elektrische Antriebssysteme, Motion Control, Energiemanagement und Energieeffizienz. Er forscht in den Fachgebieten Automation, Robotik und Digitalisierung.